Wir kommen jetzt zum praktischen Teil, der drei Unterpunkte umfaßt:
Wenn du selbst links und politisch aktiv bist oder mit
Menschen zu tun hast, die es sind, kann es nicht schaden,
etwas wachsam durchs Leben zu gehen. Du mußt dabei
deine eigenen Grenzen überprüfen: Wo fängt auf der einen
Seite Leichtsinn an, wo beginnt auf der anderen Seite die
Paranoia. Manche Leute haben einen Riecher für Bullen,
andere bemerken sie nicht einmal, wenn neben ihnen das
Funkgerät piepst. Solche Dinge mußt du für dich
rauskriegen. Deine Wachsamkeit muß für dich in deinen
Alltag passen, in deine Blickweise auf die Umgebung. Wenn
du mit dem ganzen Repressionsbereich überhaupt nicht
umgehen kannst, wenn du ihn nur von dir weghalten willst,
dann solltest du dich erst fragen, in welchem Verhältnis
dieses Gefühl zu deiner politischen Tätigkeit steht, ob du dir
so eine Herangehensweise bei deiner Arbeit leisten kannst
oder nicht. Wenn ja, super, wenn nein, mußt du dir
überlegen, wie du einen erträglichen Umgang damit finden
kannst, inwieweit andere dir dabei helfen können.
Bullen und Geheimdienste sind in irgendeiner Form immer präsent, ohne das daraus unbedingt direkt etwas folgen muß. Nicht umsonst wird immer darauf hingewiesen, daß bei jeder Versammiung mit Spitzelinnen zu rechnen ist, daß Telefone abgehört werden usw. Faktisch ist dadurch linksradikale Politik nie verhindert worden.
Der Sicherheitsapparat ist, trotz seiner Regeln und Gesetze,
nicht völlig kalkulierbar und sicher auch oft etwas
chaotisch. Oft wissen sie vielleicht selbst gar nicht, was bei
ihnen gerade läuft auf den verschiedenen Ebenen.
Allgemeine Wachsamkeit bedeutet, sich über die Präsenz der Bullen im klaren zu sein und sich davon nicht abhalten zu lassen, etwas zu tun. Schließlich ist ein wesentlichës Moment der "präventiven Repression", über das allgemeine Bewußtsein der ständigen Bullenpräsenz eine Lähmung zu erzeugen. Eine Steigerung erfährt dies durch polizeiliche Beschäftigungs-Spiele.'Scheinbar sinnlose oder ungezielte Schläge des Repressionsapparates dienen manchmal dazu, Leute einfach nur zu beschäftigen, damit sie keine Zeit finden für andere Dinge. Die lnitiative liegt damit bei den Bullen, sie sind offensiv, und wir rennen den Ereignissen hinterher. Dieser politische Aspekt der Repression ist in anderen Texten vielfach ausführlich behandelt worden.
Allgemeine Wachsamkeit bedeutet darauf zu achten, wie Bullen sich verhalten. Manchmal kann es nützlich sein, sich vorzustellen, wie und an was sie denken: Wie der Streifenbullen denkt und wie die Observationskräfte, wie die Staatsschutzbullen, wie die Führungskräfte. Sie denken sicher nicht nur an uns und unsere "Missetaten", sondern auch an den Feierabend, an die Ratenzahlungen, an den Chef, an die politischen Folgen, an die Kardere, an die Gewerkschaft, an etwas zu trinken, an die arroganten auswärtigen Behörden. Wie sie sich, geprägt durch bürgerliche Medien, vorurteilsgetrübte Spitzelinnenbedchte, schwer verständliche Szene-Texte und Vorträge von "Szene-Kennerinnen". dich und deinen Alltag vorstellen. Was ihre moralischen Werte sind, wo sie ihre Berechtigung für ihre Arbeit hernehmen. Wenn du wegkommst von den oft parolenhaften Vorstellungen der Bullen als völlig willenlose Befehlsempfängerinnen oder als fanatische Recht-und- Ordnung-Kämpferinnen, wird dich manches nicht mehr wundern, was du dir sonst vielleicht nicht erkiären kannst, es sei denn durch enorme Verschwörungstheorien (... sie haben nicht eingegriffen, damit wir glauben, sie wissen von nichts... oder ... sie haben gerade jetzt zugeschlagen, weil sie alles schon vorher wußten... Das kommt auch schon mal vor, aber meistens ist es banaler.).
Versuche also, die Gegnerinnen kennenzulernen. Nicht nur,
wie eben beschrieben, ihre (Un-)Logik, sondern auch ganz
direkt: Wie sehen sie aus, wie treten sie auf. Die Zeiten, in
denen Zivis zu 95% Männer mit kurzen Haaren und
Schnauzbärten waren, sind lange vorbei. Heute gibt es viele
Frauen dabei. Frauen wie Männer tragen szene-typische
Klamotten, die Männer haben oft längere/lange Haare,
Ohrringe.
Wie sitzen sie im Auto? Wieso guckt ein Zivi anders aus dem Autofenster als andere Leute? Er oder sie hält Ausschau nach etwas. Allerdings sind Zivis leicht zu verwechsein mit Leuten, die sich in der Gegend nicht auskennen und deswegen sehr aufmerksam sind. Die Aufmerksamkeit der meisten normalen Leute; die Auto fahren, ist eher nach innen gerichter, zumal, wenn sie nicht alleine im Auto sind. Zivis hingegen achten meist stark auf die äußere Umgebung und unterhalten sich oft kaum mit den anderen im Auto.
Sinnvoll ist es auf jeden Fall für alle, die politisch organisiert
arbeiten, sich zu überlegen, inwieweit es notwendig ist, sich
auf Repression einzustellen, sich vertrauter zu machen mit
den möglichen Bedrohungen durch Observationen etc.
Verlaßt euch nicht darauf, daß ab und zu irgendwo
irgendwelche Kennzeichen von Ziviautos veröffentlicht
werden. Die Listen könnten Fehler enthalten, die
Kennzeichen werden gewechselt. Der beste Schutz ist es,
den "Riecher" für Bullen und Spitzel zu entwickeln, und den
entwickelst du durch Aufmerksamkeit und Erfahrung.
2. Wie stelle ich eine Observation fest